Die frühen sechziger Jahre sind als die Zeit der «nouvelles vagues» und «angry young men» im europäischen Autorenkino bekannt. Ob all der Jugend und Erneuerung geht gern vergessen, dass viele prägende Regisseure jener Zeit damals bereits gestandene Männer waren.
Schauen wir uns beispielsweise die Regisseure in unserer kleinen Auswahl herausragender Filme von 1961 an: Luis Buñuel (Viridiana) war damals 61, Yasujiro Ozu (Der Herbst der Familie Kohayagawa) war 58, Akira Kurosawa (Yojimbo) 51, Michelangelo Antonioni (La notte) 49 und Robert Wise (West Side Story) 47.
Doch auch etliche Autoren, die ganz und gar für die neuen Wellen nach 1960 stehen, waren 1961 schon um die vierzig: Pier Paolo Pasolini etwa, Regiedebütant mit Accattone, hat Jahrgang 1922, ebenso Alain Resnais, der mit L’année dernière à Marienbad gerade seinen zweiten Spielfilm vorlegte. Eric Rohmer, 1962 mit Le signe du lion debütierend, kam 1920 zur Welt und Ingmar Bergman, der mit Wie in einem Spiegel in die Dekade seiner kühnsten Experimente startete, 1918.
Diese Co-Zeitgenossenschaft jüngerer und älterer Semester zieht sich selbstredend durch die ganze Filmgeschichte. Doch in Phasen, die vor allem als Momente der Erneuerung gelten, geht gern vergessen: Neben den jungen sind auch zahlreiche ältere Wilde noch auf der Höhe der Zeit, und dies – etwa im Falle eines Buñuel oder Kurosawa – längst nicht immer gesetzten Geistes, sondern mit einer Wucht und Radikalität, die sich vielleicht gerade dem Alter beziehungsweise dem Umstand verdankt, viel schon gewonnen und weniger zu verlieren zu haben als die Jüngeren. Die heftigsten neuen Wellen werfen bisweilen die Ältesten.
Andreas Furler