Frances McDormand, Billy Bob Thornton und Joel & Ethan Coen zu «The Man Who Wasn’t There»

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Die Coens und der Film noir – das ist eine alte Liebesgeschichte, die 1984 mit Blood Simple begann, sich in Miller’s Crossing (1990), Fargo (1996) und The Big Lebowski (1998) fortsetzte und in The Man Who Wasn’t There einen lakonischen, kongenial schwarzweißen Höhepunkt erreichte. Bei den Gruppengesprächen zum Film in Cannes 2001 erwies sich die große Frances McDormand als diejenige, die die vernünftigsten Aussagen machte. Billy Bob Thornton schwebte damals auf Wolke sieben wegen seiner Frau Angelina Jolie, deren Blut er um den Hals trug, und die Coens waren für ihre Begriffe zwar gesprächig, aber wie immer mehrheitlich vage, aber unterhaltsam.

Frances McDormand, Billy Bob Thornton and Joel & Ethan Coen on The Man Who Wasn’t There

The Coens and film noir – that old love story began in 1984 with Blood Simple, continued in Miller’s Crossing (1990), Fargo (1996) and The Big Lebowski (1998) and reached a laconic, appropriately black-and-white climax in The Man Who Wasn’t There. At the round tables for the film at Cannes in 2001, the great Frances McDormand proved to be the source of the most sensible statements. Billy Bob Thornton was floating on cloud nine at the time because of his wife Angelina Jolie, whose blood he was wearing around his neck, and the Coens were talkative by their standards but as always mostly vague, albeit entertaining.

Ang Lee zu «The Ice Storm»

The Ice Storm (Ang Lee, USA 1997)

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Rick Moodys autobiografisch gefärbter Roman The Ice Storm erschien 1994 und schildert die emotionalen und sexuellen Wirren zwischen benachbarten Familien im reichsten Ort der USA, New Canaan, Connecticut, anno 1973. Das Buch ist aus den wechselnden Perspektiven der acht Hauptfiguren geschrieben, die den Ereignissen sehr unterschiedlich gegenüberstehen. Als jemand, der 1977 einige Zeit in New Canaan zugebracht hatte, war ich von dem Roman ganz besonders fasziniert. Eine Verfilmung konnte ich mir nicht vorstellen, da die Vorlage derart von den wechselnden Subjektivitäten geprägt war. Ang Lee, Spezialist für Dramen um dysfunktionale Familien, hat es 1997 dennoch gewagt und sein Film, den er in Cannes präsentierte, zeigt ganz andere Stärken und Schwächen als der Roman.

Rick Moody’s autobiographical novel The Ice Storm, published in 1994, describes emotional and sexual turmoil between neighbouring families in the wealthiest town in the U.S., New Canaan, Connecticut, in 1973, and is written from the changing points of view of the eight protagonists, who regard the unfolding events in very different ways. As someone who had spent time in New Canaan in 1977, I found the novel particularly compelling. I couldn’t imagine a film adaptation, because the original was so determined by the alternating subjectivities. Ang Lee, a specialist for dramas about dysfunctional families, went ahead anyway and filmed Moody’s book in 1997. The resulting movie, which he presented in Cannes, has completely different strengths and weaknesses than the novel.

 

Michael Moore zu «Bowling for Columbine»

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Nachdem er in Cannes zu Beginn des Gruppengesprächs über Bowling for Columbine 2002 die Nationalitäten der Teilnehmenden abgefragt hatte, drehte Michael Moore gleich den Spieß um und wollte wissen, wieso in der Schweiz, wo fast jeder Mann ein Sturmgewehr zu Hause hat, so wenige Morde geschehen. Man kann sich über Moores Methoden streiten (seine Bloßstellung des greisen Charlton Heston im Film etwa verärgerte viele Leute), aber in Sachen Verquickung von politischer Propaganda mit Unterhaltung gibt es wenige Filmschaffende, die ihm das Wasser reichen können. Und bei Bowling for Columbine stimmte die Balance zwischen Witz und Wahrheitstreue noch besser als in späteren Filmen. Das deutsche Transkript des Gesprächs finden Sie hier.

Michael Moore on Bowling for Columbine

Having begun the round table on Bowling for Columbine (2002) in Cannes by asking the journalists about their nationalities, Michael Moore immediately turned the tables and wanted to know why so few murders occur in Switzerland, where almost every man has an assault rifle at home. One may argue about Moore’s methods (his ambush interview with the aged Charlton Heston in this film, for example, raised a lot of hackles), but when it comes to combining political propaganda with entertainment, there are few filmmakers who can hold a candle to him. And in Bowling for Columbine, the balance between wit and veracity was more even-handed than it was in later films.

Interviews mit Ang Lee, Michelle Yeoh und Zhang Ziyi zu «Crouching Tiger, Hidden Dragon» (2000)

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Das war 2000 in Cannes der große Überraschungs-Hit des Festivals. «Sense and Sensibility with martial arts» hatte Ang Lee versprochen und dies auch eingehalten. In Cannes fanden Gruppengespräche mit Ang Lee und den Darstellerinnen Michelle Yeoh und Zhang Ziyi statt; in Zürich gab es beim Kinostart dann noch Gelegenheit zu einem Einzelgespräch mit Ang Lee. Zusammen genommen vermitteln diese Gespräche nicht nur viel Hintergrund zu diesem großartigen Film; Ang Lee stellt Crouching Tiger, Hidden Dragon auch in Beziehung zu seinem übrigen Werk, Michelle Yeoh zieht Vergleiche zu anderen wuxia-Filmen und zu James Bond, während Zhang Ziyi erklärt, wie sich die Regisseure Ang Lee und Zhang Yimou – dessen Filme The Road Home (1999) und House of Flying Daggers (2004) mit Zhang Ziyi wir noch in diesem Jahr zu zeigen hoffen – unterscheiden.

This was the big surprise hit of the 2000 Cannes Film Festival. Ang Lee had promised «Sense and Sensibility with martial arts» and came through with flying colours (and fighters). In Cannes, there were round tables with Ang Lee and the actresses Michelle Yeoh and Zhang Ziyi; in Zurich, I was subsequently granted a one-to-one conversation with Ang Lee before the film’s theatrical release. Taken together, these conversations not only provide a lot of background to this great film; in addition, Ang Lee relates Crouching Tiger, Hidden Dragon to his previous work, Michelle Yeoh draws comparisons to other wuxia films and to James Bond, while Zhang Ziyi explains the differences between the directors Ang Lee and Zhang Yimou, whose films The Road Home (1999) and House of Flying Daggers (2004) starring Zhang Ziyi we hope to screen later this year.

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Daniel Day-Lewis zu The Unbearable Lightness of Being

Daniel Day-Lewis in The Unbearable Lightness of Being (Philip Kaufman, USA 1988)

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Unsere Kolleginnen und Kollegen beim Xenix haben im letzten Dezember unter dem Titel «Was that really it?» dem britisch-irischen Mimen Daniel Day-Lewis eine Retrospektive gewidmet. DDL hat ja im Juni 2017, mit knapp 60 Jahren, der Schauspielerei abgeschworen. Das passt zu vielen anderen, teils wahren Legenden, die sich um ihn ranken. Nicht nur hat er als Erster drei Oscars für den besten Hauptdarsteller gewonnen, mithin mehr als sein Idol Robert De Niro; seine obsessive Vorbereitung auf Rollen und seine Verschmelzung mit seinen Filmfiguren geht über die «Method»-Exzesse von Brando, Pacino oder De Niro noch hinaus.

Der Part des tschechischen Arztes und Frauenhelden Tomas in Philip Kaufmans Adaption von Milan Kunderas Roman «Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins» war 1988 nach dem schwulen Ex-Neonazi in Stephen Frears› My Beautiful Laundrette und dem geckenhaften Cecil Vyse in James Ivorys A Room with a View (beide 1985) erst die dritte große Filmrolle, die DDL verkörpert hatte. Deshalb war es damals noch möglich, mit ihm ein 50-minütiges Einzelgespräch zu führen und mit einem nahbaren, lässigen, humorvollen, blitzgescheiten und politisch denkenden jungen Kerl namens Dan nicht nur über die Schattenseiten der Kundera-Verfilmung zu diskutieren, sondern auch über Thatcher, Gott und die Welt.

Daniel Day-Lewis on The Unbearable Lightness of Being «Daniel Day-Lewis zu The Unbearable Lightness of Being» weiterlesen

Todd Solondz über Storytelling

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Statt Filmen auf der unserer Kinoleinwand wollen wir Ihnen während der Corona-Kinopause online andere Aspekte der Filmkultur vermitteln

Nachdem zwei Gespräche mit Hal Hartley und David Lynch über Mulholland Drive den Anfang gemacht haben, geht es weiter mit einem Interview mit Todd Solondz anlässlich der Premiere von Storytelling in Cannes (2001). 

Michel Bodmer, stellvertretender Leiter des Filmpodiums Zürich, schreibt:
Im Januar/Februar 2020 zeigten die Kolleginnen und Kollegen vom Cameo Winterthur vier Filme von Todd Solondz, «Enfant terrible des US-amerikanischen Kinos». Einer, der dabei fehlte, war Storytelling (2001), sein besonders beklemmendes Diptychon über Sex, Rassismus, Promi-Kult und Ausbeutung und die Geschichten, die wir (über) uns erzählen. Beim Gruppengespräch darüber in Cannes erwies sich Solondz als sehr witziger und selbstironischer Filmautor, dessen Vorstellungen von einer Komödie allerdings nicht unbedingt massentauglich sind.

Storytelling findet man online auf Amazon Prime.

Michel Bodmer, deputy director of Filmpodium, writes:
In January/February 2020, our colleagues at Cameo Winterthur screened four films by Todd Solondz, «the enfant terrible of US cinema». One title that was missing was Storytelling (2001), his particularly upsetting diptych about sex, racism, the cult of celebrity, exploitation and the stories we tell (about) ourselves. At the round table in Cannes, Solondz proved to be a very funny and self-ironic filmmaker, whose idea of what constitutes a comedy is not exactly mainstream.

Storytelling is online on Amazon Prime.

David Lynch über Mulholland Drive

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Statt Filmen auf der unserer Kinoleinwand wollen wir Ihnen während der Corona-Kinopause online andere Aspekte der Filmkultur vermitteln

Nachdem zwei Gespräche mit Hal Hartley letzte Woche den Anfang gemacht haben, geht es weiter mit einem Interview mit David Lynch anlässlich der Premiere von Mulholland Drive in Cannes (2001). 

Michel Bodmer, stellvertretender Leiter des Filmpodiums Zürich, schreibt:
«Ich hatte bereits dreimal das kuriose Vergnügen, den «Jimmy Stewart from Mars» zu interviewen, wie Mel Brooks einst David Lynch treffend genannt hat. Bei Mulholland Drive (2001) war es im Rahmen eines Gruppengesprächs in Cannes, bei dem er auf seine bodenständig-freundliche Art Antworten gab, die meist so schwer greifbar waren wie die Ideen, die Lynch «wie Fische» durch den Kopf schwimmen.»

Michel Bodmer, deputy director of Filmpodium, writes:
«I have already had the curious pleasure of interviewing «Jimmy Stewart from Mars» (as Mel Brooks once aptly dubbed David Lynch) three times. For Mulholland Drive (2001), it was at a round table in Cannes, where the answers he gave in his friendly down-to-earth manner tended to be as slippery and elusive as the ideas that swim «like fish» through Lynch’s mind.»

Perla rara – Ein Interview mit Corinne Siegrist-Oboussier auf Italienisch

Fausto Colombo – in Zürich wohnhafter italienischer Journalist, Fotograf (L’Incertain Regard) und Bartmodel – hat für den Blog Züri-swissness die Leiterin des Filmpodiums, Corinne Siegrist-Oboussier, interviewt. Das Interview auf Italienisch reproduzieren wir hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.


Il cinema più iconico di Zurigo compie 70 anni. Lo spazio in stile Bauhaus, già sede dello storico Studio 4, ospita il Filmpodium, singolare mix fra monosala, arthouse e cineteca. Un ibrido cinematografico tutt’ora rispettato, scelto, amato e desiderato. In occasione di questo anniversario più unico che raro, ho incontrato la sua direttrice Corinne Siegrist-Oboussier, paladina di una forma di resistenza culturale sempre più necessaria

Se doveste chiedere agli zurighesi di nominarvi un cinema speciale, qualcuno vi parlerà sicuramente del Filmpodium. La sua sala trapezoidale e asimmetrica, a pochi passi da Paradeplatz, il centro finanziario di Zurigo, è un vero gioiello architettonico. Nei locali che dal 1949 ospitarono lo Studio 4, il Filmpodium mostra da oltre trent’anni serie tematiche, retrospettive di classici, pellicole d’autore e proiezioni di film muti con l’accompagnamento musicale dal vivo. Mantenuto in stile Bauhaus, scuola di architettura, arte e design di cui proprio quest’anno ricorre il centenario, il cinema è stato restaurato con cura nel 2003. Da allora questo spazio, vera perla del paesaggio cinematografico zurighese, vanta 263 comodi posti e una tecnica di proiezione sempre al passo coi tempi. Un cinema che oggi si chiamerebbe “monosala”, per distinguere una specie in via d’estinzione dalle multisale fatte in serie. Un cinema che oggi costituisce una forma di resistenza a un mondo cinematografico seriale, per permettere a tutte le espressioni filmiche di trovare il loro posto e a tutti di goderne a pieno.

A 70 anni dalla nascita di questo spazio, cos’è esattamente Filmpodium nel 2019: una cineteca, un cinema d’essai o una monosala indipendente?

Un po’ di tutto questo. È innanzitutto una cineteca, poiché attraverso la nostraprogrammazione tentiamo di mantenere viva la storia del cinema e farla conoscere anche al giovane pubblico che, per farti un esempio, non ha mai sentito parlare di Francis Ford Coppola (!) a cui abbiamo dedicato in aprile una retrospettiva. Cineteca perché siamo effettivamente proprietari di circa 300 pellicole conservate presso la Cinémathèque Suisse di Losanna, non disponendo di strutture adeguate qui a Zurigo. Filmpodium può definirsi un cinema d’essai in quanto presentiamo non solo nuovi titoli appartenenti a questa categoria ma anche film che ai tempi della loro uscita sarebbero stati senza dubbio classificati in questa categoria. Siamo infine un cinema indipendente poiché non dipendiamo da nessun distributore per la programmazione.

L’entrata del Filmpodium
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ZFF MASTERS: gratis Podcasts online!

ZFF MASTERS sind moderierte Gespräche mit bekannten Persönlichkeiten (Regisseure, Drehbuchautoren, Produzenten und Schauspielern) aus der internationalen Filmbranche. Das Publikum erhält dabei einen spannenden Einblick in ihr kreatives Schaffen und ihre Haltung als Filmschaffende. Die renommierten Experten werden dabei dem interessierten Publikum Rede und Antwort stehen. Die ZFF MASTERS sind öffentlich zugänglich und richten sich an die Filmbranche sowie an das gesamte Festivalpublikum.

Eine Auswahl der vergangenen ZFF MASTERS sind nun als Podcast auf Spotify und iTunes erhältlich.

Darunter: Daniel Radcliffe, Woody Harrelson, Hans Zimmer, Susanne Bier, Glenn Close, Arnold Schwarzenegger, Michael Haneke, Todd Haynes und Miloš Forman (von dem wir einige Klassiker in unserem Oktober/November-Programm wieder auf die grosse Leinwand bringen werden).

Wir empfehlen allen Filmfans, sich diese spannenden Gespräche anzuhören und sich gedanklich in unser schönes Kino zu beamen, denn: «The podcast you are about to hear is a live recording of a ZFF Masters session at the Filmpodium, one of the most beautiful and unique cinemas in Zurich.»

Wir sind schon gespannt, wen das ZFF für seine 14. Ausgabe vom 27. September bis 7. Oktober 2018 nach Zürich – und natürlich auch wieder ins Filmpodium – holen wird!

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Zur Erinnerung an Martin Landau

Vor etwas mehr als einem Jahr zeigte das Filmpodium einen der letzten Filme des eben verstorbenen Martin Landau: In Atom Egoyans Remember spielte er einen greisen Juden, der seinen dementen Altersheim-Mitinsassen (Christopher Plummer) zu einem komplexen Rachefeldzug gegen einen Nazi anstiftet. 1996 hatte ich das Privileg, über eine Stunde lang mit Landau zu sprechen, anlässlich des Kinostarts von Steve Barrons The Adventures of Pinocchio. Hier der NZZ-Artikel, der aus der wunderbaren Unterhaltung mit diesem unterschätzten Ausnahmeschauspieler hervorging:

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