DAS ERSTE JAHRHUNDERT DES FILMS: 1986

«Mala Noche», Gus van Sant, USA
Mala Noche (Gus van Sant, USA)

Vor 30 Jahren sang Isabella Rossellini «Blue Velvet» und Denis Lavant tanzte zu David Bowies «Modern Love». Im Diskurs der Postmoderne stellten die Regisseure ihre intertextuellen und -medialen Referenzen offen aus, die Form schien über den Inhalt zu triumphieren. Leos Carax, als radikalster Vertreter des «Cinéma du look», lieferte mit Mauvais sang einen visuell exzessiven Neo-Film-noir, der die Dekonstruktion des Genres durch Jean-Luc Godard revidierte. David Lynchs Kleinstadt-Alptraum Blue Velvet verstört(e) das Publikum mit seinem Amalgam aus popkulturellen Zitaten und menschlichen Abgründen. Gemeinsam mit David Cronenbergs Remake The Fly wurde der Film aufgrund seiner expliziten Darstellung von Gewalt und Perversion heftig diskutiert, nicht zuletzt, da beide Filme darauf verzichten, ihre Gewaltdarstellung moralisch zu kontextualisieren, sondern sie in ihrer verstörenden Wirkung als weiteres Formelement belassen. In Schatten im Paradies spielt Aki Kaurismäki auf seine eigene, unverwechselbare Art mit den Genreformen und präsentiert seinen reduzierten Stil, bei dem keine Einstellung zu viel scheint, erstmals auf dem internationalen Parkett. Eine unverkennbare Handschrift, diesmal aus Griechenland, zeigt sich ebenfalls in den sorgfältig komponierten Einstellungen von Theo Angelopoulos’ Der Bienenzüchter.

In seiner asketischen Erscheinung wirkt Briefe eines Toten wie eine ästhetische Opposition. Mit seinen strengen, monochromatischen Bildern zeichnet Konstantin Lopuschanski den damals nahen Alptraum eines möglichen Atomkrieges und erinnert dabei an die Filme Andrej Tarkowskijs, bei dessenStalker er mitgearbeitet hatte. Vordergründig aus der Zeit zu fallen scheint James Ivorys A Room with a View, der mit seiner genauen Charakterstudie jedoch über die porträtierte englische Gesellschaft um 1900 hinausweist und der Schauspielerin Helena Bonham Carter zum Durchbruch verhalf.

Das gesamte Programm (ab 3. Oktober 2016 im Filmpodium) finden Sie auf unserer Webseite.

Ein Filmprogramm setzt sich nicht nur aus den Filmen zusammen, die man schlussendlich im Programmheft wiederfindet. Mindestens genauso sehr beschäftigen unser Programmteam all diejenigen Filme, die es eben nicht auf die Filmpodium-Leinwand schaffen. So auch bei unserer Jahrhundertreihe.

  • «Der schwarze Tanner», Xavier Koller, Schweiz

Weitere wichtige Filme aus 1986
37°2 le matin Jean-Jacques Beineix, F
A Better Tomorrow (Ying hung boon sik) John Woo, Hongkong
Aliens James Cameron, USA
Caravaggio Derek Jarman, GB
Der Name der Rose Jean-Jacques Annaud, I/F/BRD
Der schwarze Tanner Xavier Koller, Schweiz
Down by Law Jim Jarmusch, USA/BRD
Hannah and Her Sisters Woody Allen, USA
Henry: Portrait of a Serial Killer John McNaughton, USA
Hombre mirando al sudeste Eliseo Subiela, Argentinien
Il camorrista Giuseppe Tornatore, I
Mala Noche Gus van Sant, USA
Offret Andrej Tarkowskij, F/Schweden
Platoon Oliver Stone, USA
Rosa Luxemburg Margarethe von Trotta, BRD
The Mission Roland Joffé, GB/F

Ein Gedanke zu „DAS ERSTE JAHRHUNDERT DES FILMS: 1986

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert