Editorial: Schwarze Zahlen, schwarze Listen

Dia_Black ListWir haben es zwar schon in einem Newsletter von den Dächern gepfiffen, aber gute Nachrichten darf man auch mehr als einmal vermelden. Immer wieder war in den letzten Wochen in den Medien von der Krise des Kinos die Rede – in der Schweiz betrug der Publikumseinbruch im ersten Halbjahr 2018 gegenüber der Vorjahresperiode 18 Prozent, und Ende Juni hatte der endlose Sommer erst begonnen. Umso mehr freut uns, dass das Filmpodium mit seinem vor allem auf die Filmgeschichte ausgerichteten Programm auch in dieser schwierigen Zeit sein Publikum findet. Die Eintrittszahlen pro Vorstellung der Jahre 2016 und 2017 konnten im ersten Halbjahr 2018 gehalten werden – trotz Fussball-WM und strahlenden Badewetters. Auf besonderes Publikumsinteresse stiessen dabei das Stummfilmfestival und die Reihen zu Jeanne Moreau und Claudia Cardinale. Im Sommerprogramm setzte sich der Trend mit Maggie Smith und Ingmar Bergman fort. Auch einzelne Beiträge der Locarno-Retrospektive zu Leo McCarey fanden grossen Zuspruch.

Wir möchten unseren Stammgästen ebenso wie denjenigen, die unser Kino erst vor Kurzem entdeckt haben, ganz herzlich für ihre Treue und ihr anhaltendes Interesse an unserem Programm danken.

Die kommenden Wochen bieten sehr unterschiedliche Filmfarben. Es gibt ein Wiedersehen mit weiteren Werken der tschechischen Meisterregisseure Miloš Forman und Jiří  Menzel. So vergnüglich die Filme sind, so traurig sind die biografischen Begleitumstände: Forman ist am 13. April 2018 gestorben, und der 80-jährige Menzel ist seit Monaten ans Bett gefesselt, sodass ein Besuch in Zürich undenkbar ist.

Fred van der Kooij beschäftigt sich in seiner Vorlesungsreihe mit dem Einfluss der Fiktion auf das dokumentarische Filmschaffen – ein Thema, das auch einen Bezug zur umfangreichsten Reihe in diesem Programm hat. Diese ist der «Hollywood Blacklist» gewidmet: Auf der schwarzen Liste landeten Filmschaffende, deren Engagement für traditionell linke politische Anliegen sie in den Augen der rechtskonservativen US-Regierung der Nachkriegsjahre zu Staatsfeinden machte. Die betreffenden Filme setzen sich zumeist in ungewöhnlich nüchterner und kritischer Weise mit der amerikanischen Wirklichkeit auseinander und manche vermengen fiktionale und dokumentarische Elemente. Da viele dieser Werke keine normale Kinoauswertung durchliefen und auch nie im Ausland gespielt wurden, können wir die meisten Beiträge dieser Reihe nur im Original zeigen. Gerade diese Filme zu entdecken lohnt sich aber – heute erst recht.

Michel Bodmer

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