Editorial: Ein launischer Sommer

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So heisst nicht nur eines der drei Meisterwerke von Jiří Menzel, die wir in diesem Programm zeigen; so könnten auch die vergangenen Monate überschrieben werden.

Nach einem verregneten Einstieg hat sich schliesslich die Sonne durchgesetzt und uns Badi-Wetter beschert. Wer ein Kino betreibt, empfindet in der Regel konträr zur Volksseele der Zürcherinnen und Zürcher, die sich neun Monate im Jahr danach sehnen, möglichst viele Kleider abzuwerfen, um an der Sonne zu essen, zu trinken oder zu braten und sich wie in Italien zu fühlen. Für das Kino ist dieser Outdoor-Wahn an den längsten Tagen des Jahres fatal, denn in den dunklen Lichtspielsaal begeben sich Menschen vornehmlich dann, wenn es draussen düster oder klamm ist. Und tatsächlich sind die Kino-Besucherzahlen des diesjährigen Sommers nicht berauschend; sie unterbieten gar noch jene des letzten Sommers, der ja für seine vielen Sonnenstunden in die Annalen einging.

Liegt es am Programm? Beim Filmpodium verzeichnete 2015 die Retrospektive zu Hayao Miyazaki einen Überraschungserfolg, der die eher mässigen Zahlen der Reihe zu Joan Crawford und Bette Davis wettmachte. Heuer vermochten nur wenige Werkpaare der Reihe Remakes genügend zu interessieren, um das Publikum gleich zweimal ins Kino zu locken – wobei es durchaus einzelne Angefressene gab, die sich etwa Die sieben Samurai und anschliessend The Magnificent Seven als Double Feature anschauten und sich mit Zwischenverpflegung für diesen 335-minütigen Marathon wappneten. Nur wenigen war leider auch das Nachkriegskino der jungen BRD eine Entdeckung wert – was schade ist, da es in unserer Auswahl wie auch in der noch abenteuerlicheren Retrospektive des Filmfestivals von Locarno zahlreiche cineastische Schätze zu heben gegeben hätte.

Was die Remakes angeht, so versuchen wir es nach dem möglichen Overkill des Sommerprogramms nun mit homöopathischer Dosierung: Neben Premieren, Reeditionen, Jahrhundertfilmen und den Wunschfilmen der Mitglieder unseres Fördervereins Lumière ergänzen fortan auch Remake-Paare oder -Sequenzen unsere Hauptreihen, als faszinierende Produkte des Spannungsfelds zwischen Kommerz, Einflussangst und Kreativität. Schauen Sie rein, es lohnt sich.

Ein Editorial von Michel Bodmer

 

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