Die Zeit – Vergangenheit, Zukunft und dabei natürlich immer auch die Gegenwart – steht im Zentrum der Filmauswahl des Jahres 1985. Mit seinem Monumentalwerk Shoah schafft es Claude Lanzmann, dem Schrecken des Holocausts im Zweiten Weltkrieg so nahezukommen, wie es vielleicht nur möglich ist. Indem er die Aussagen der Opfer und Täter mit Bildern aus der Gegenwart koppelt, weist er sie als Erinnerungen aus, die bis ins Heute nach wirken. Elem Klimows Komm und sieh schildert die Gräuel des Krieges durch die Augen des 14jährigen Fljora. Wenn dieser am Ende auf ein Porträt Hitlers schiesst, läuft die Zeit rückwärts und das Medium Film erweist sich als Zeitmaschine, mit seinen Möglichkeiten und Grenzen. Diese Grenzen scheint Robert Zemeckis’ Back to the Future zu sprengen, wenn der Zeitreise-Spass zwischen Vergangenheit und Gegenwart um die Existenz seines eigenen Helden spielt. Terry Gilliams orwellsche Fantasie Brazil wiederum erscheint als Paralleluniversum, als überspitztes Spiegelbild der achtziger Jahre, das in die Zukunft und damit in unsere Gegenwart weist. La historia oficial und Le thé au harem d’Archimède setzen sich dagegen nüchtern mit der Gegenwart des Jahres 1985 auseinander. Kurz nach Ende der argentinischen Militärdiktatur richtet Luis Puenzo kompromisslos den Blick auf ein dunkles, bis heute nicht abgeschlossenes Kapitel des Landes: das Verschwinden regimefeindlicher Bürger und die Zwangsadoption ihrer Kinder. Demgegenüber gelingt es Meh di Charef, mit humorvollem Unterton die Sorgen zweier Jugendlicher und ihr Leben in den Pariser Banlieues aufzugreifen. Auch Fredi M. Murers Höhenfeuer ist zwar in seiner 1980erJahreGegenwart angesiedelt, scheint aber in der Abgeschiedenheit seiner Bergbauernwelt von einer längst vergangenen, archaischen Zeit zu berichten.
Weitere wichtige Filme von 1985
Kiss of the Spider Woman (Hector Babenco, Brasilien/USA)
Männer … (Doris Dörrie, BRD)
Mishima: A Life in Four Chapters (Paul Schrader, USA/J)
Mitt liv som hund (Mein Leben als Hund) (Lasse Hallström, Schweden)
My Beautiful Laundrette (Stephen Frears, GB)
Otac na sluzbenom putu (Papa ist auf Dienstreise) (Emir Kusturica, Jugoslawien)
Out of Africa (Sydney Pollack, USA)
Ran (Akira Kurosawa, J)
Rendez-vous (André Téchiné, F)
Sans toit ni loi (Agnès Varda, F)
Subway (Luc Besson, F)
The Breakfast Club (John Hughes, USA)
The Color Purple (Steven Spielberg, USA)
The Purple Rose of Cairo (Woody Allen, USA)
To Live and Die in L.A. (William Friedkin, USA)
Vesnicko má stredisková (Heimat, süsse Heimat) (Jiří Menzel, CSSR)
Wetherby (David Hare, GB)
Witness (Peter Weir, USA)