Editorial: Wie smart kuratieren wir?

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Kuratieren ist das Zauberwort der Stunde: Im unüberblickbaren Meer von Möglichkeiten des Kulturkonsums halten KuratorInnen dem Publikum ausgewählte Strohhalme hin, an denen es sich orientieren und festhalten kann: Sagt Instanz X, dass das Werk Y etwas taugt, opfere ich dafür meine knappe Zeit und Aufmerksamkeit. Freilich sollte ich wissen, nach welchen Kriterien Instanz X urteilt und ob ich diese teile.

Im Internet läuft Kuratierung kundenspezifisch und algorithmisch ab. Plattformen wie Google, Amazon, Netflix und iTunes sammeln seit Jahren Kundendaten; sie wissen, was wir konsumieren, und geben aufgrund statistischer Korrelationen Empfehlungen ab: Wer wie Sie Werk Y genossen hat, dem gefiel auch Werk Z. Raffiniertere Angebote wie Spotifys «Discover Weekly» ergänzen statistische Korrelationen mit Vorschlägen menschlicher Fachleute bzw. Influencers. Diese Vermählung von datenbasierter, algorithmisch bestimmter Auswahl und menschlichen Ratschlägen pries neulich in einem ZHdK-Kolloquium der Soziologe Frédéric Martel als «smart curation».

Das Filmpodiumteam kuratiert ein Programm für ein cinephiles Publikum. Die Datenbasis ist allerdings schmal. Unser Kino verzeichnet jährlich rund 33 000 Besuche, davon rund 25 Prozent mit Generalabo und gut 20 Prozent mit Halbtaxabo; der Rest sind sporadische Einzeleintritte. Unser Publikum besteht aus rund 11 000 Individuen. Die wenigen persönlichen Daten, die wir von unseren AbonnentInnen erhalten, werten wir aus Datenschutzgründen nicht aus, obwohl sie gewisse Aufschlüsse über die Vorlieben unserer treuesten Gäste geben könnten. Und von den GelegenheitsbesucherInnen haben wir ohnehin keine Daten. Es bleiben also nur die blossen Eintrittszahlen sowie Augenscheinschätzungen, wie gross der Anteil an Stammgästen, die einen bestimmten Film gesehen haben, in etwa sein könnte.

«Smart» kuratieren wir also nicht. Wir versuchen den 1986 vom Stimmvolk erteilten Auftrag einer kulturellen Ergänzung zum regulären Kinoangebot zu erfüllen, indem wir sehenswerte Werke der Filmgeschichte zeigen und neues Filmschaffen präsentieren, das keine kommerzielle Kinoauswertung bekommt. Wir wollen den Geschmack unserer Stammgäste treffen und sie gleichwohl auch immer mal wieder überraschen. Big Data haben wir nicht. Wenn Sie finden, dass wir vielleicht nicht «smarter», aber klüger kuratieren und andere Bedürfnisse abdecken sollten, sagen Sie uns bitte Bescheid, via E-Mail, Twitter, Facebook, Blog oder Postkarte. Oder mündlich im Kino.

Corinne Siegrist-Oboussier & Michel Bodmer

 

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