Das erste Jahrhundert des Films: 1991

Auch für das Filmschaffen war 1991 das erste «vollständige» Jahr nach der Wende in Europa. In den Filmen selbst ist davon zwar noch kaum etwas zu spüren, aber die Festivallandschaft beginnt sich zu verändern.

The Silence of the Lambs (Jonathan Demme, USA)

1990 fanden die Berliner Filmfestspiele erstmals in beiden Teilen Berlins statt – eine logistisch nicht ganz einfache Angelegenheit, existierte die DDR doch formell immer noch. Schon ein Jahr später – eine Berlinale im wieder vereinten Berlin war fast selbstverständlich – wartete man gespannt, ob es den Berliner Filmfestspielen gelingen würde, ihren Status als wichtigstes Festival für den osteuropäischen Film zu wahren. Die Zweifel waren berechtigt, wie sich bald zeigen sollte: Mit der Öffnung der Grenzen war die Konkurrenz unter den Festivals gewachsen; Cannes schnappte der Berlinale etliche attraktive osteuropäische Premieren weg. Bereits 1991 fand in Cottbus nahe der polnischen Grenze zum ersten Mal das Festival des osteuropäischen Films statt. Wenn auch für die Berlinale, für Cannes und Venedig keine Konkurrenz, hat sich das FilmFestival Cottbus in den vergangenen zwanzig Jahren weltweit als das bedeutendste Festival des osteuropäischen Films etablieren können.

Die Filme unserer Auswahl für das Jahr 1991 hatten an folgenden Festivals Premiere: The Silence of the Lambs in Berlin, Riff-Raff und La double vie de Véronique in Cannes (wobei letzterer trotz polnischer Regie nur bedingt als osteuropäisch gelten kann), und Urga und Raise the Red Lantern in Venedig. Nach seinem nationalen Start im Oktober 1991 feierte Les amants du Pont-Neuf ebenfalls in Berlin seine internationale Premiere, allerdings erst im Folgejahr.

Der Fall der Mauer mag die internationale Filmlancierung – bzw. die Wahl des dafür optimalen Festivals – beeinflusst haben, in den 1991er-Filmen ist die Wende noch kaum spürbar, weder als Thema noch als Produktion und Strukturen beeinflussender Faktor. Dafür ist es zu früh. Gleichwohl dürfte es kein Zufall sein, dass Nikita Michalkow in Urga vom drohenden Verlust der kulturellen Identität erzählt, auch wenn sein Film nicht in der zerfallenden Sowjetunion angesiedelt ist.

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