Das erste Jahrhundert des Films: Die 1920er-Jahre

  • Das Cabinet des Dr. Caligari (Robert Wiene, Deutschland 1920)
  • Die Pastorenwitwe (Carl Theodor Dreyer, Schweden 1920)
  • Get Out and Under (Hal Roach, USA 1920)
  • Karin Ingmarsdotter (Victor Sjöström, Schweden 1920)
  • Die Spinnen, 2. Teil: Das Brillantenschiff (Fritz Lang, Deutschland 1920)
  • Within Our Gates (Oscar Micheaux, USA 1920)

Der Erste Weltkrieg hat durch die Kriegshandlungen und die Kriegszerstörungen das filmwirtschaftliche Kräfteverhältnis verändert. Im zuvor führenden Frankreich fehlten Kapital, Filmschaffende und zusehends auch die Infrastruktur, um die Produktion auf dem hohen Niveau zu halten. Deutschland erging es ähnlich, bis 1917 die militärische und politische Führung den Film als wesentliches Mittel zur Meinungsbildung einstufte und die bis dahin eher zersplitterten Strukturen der Filmwirtschaft mit der Gründung der Universum-Film-Aktiengesellschaft (UFA) bündelte. Weil die europäischen Filmproduktionsländer geschwächt aus diesem Krieg hervorgingen und die amerikanischen Filme in der entstandenen Lücke Fuss fassen konnten, entstand die bis heute andauernde marktbeherrschende Position der US-Filmindustrie.

  • Der Fuhrmann des Todes (Victor Sjöström, Schweden 1921)
  • Der Gang in die Nacht (Friedrich Wilhelm Murnau, Deutschland 1921)
  • Der müde Tod (Fritz Lang, Deutschland 1921)
  • Die Bergkatze (Ernst Lubitsch, Deutschland 1921)
  • Fièvre (Louis Delluc, Frankreich 1921)
  • Im Kampf mit dem Berge (Arnold Fanck, D 1921)
  • L'Atlantide (Jacques Feyder, Frankreich 1921)
  • La belle dame sans merci (Germaine Dulac, Frankreich 1921)
  • Manhatta (Charles Sheeler, Paul Strand, USA 1921)
  • Orphans of the Storm (D.W. Griffith, USA 1921)
  • Seven Years Bad Luck (Max Linder, USA/Frankreich 1921)
  • The Kid (Charles Chaplin, USA 1921)
  • The Pet (Winsor McCay, USA 1921)
  • Blätter aus dem Buche Satans (Carl Theodor Dreyer, Schweden 1921)

Zugleich erhöhte sich der Kapitalbedarf mit dem (spätestens Ende der 1910er-Jahre abgeschlossenen) Übergang zum Langspielfilm als dominanter Form des Kinofilms. Um die Risiken der gewachsenen Investitionen in die Produktion abzusichern, setzte sich immer stärker die vertikale Konzentration, die Zusammenführung von Produktion, Verleih und Kinoketten in einer Firma durch. Die Übernahme der zusätzlichen Bereiche erforderte jedoch zusätzliche Kapitalien, so dass die grossen Filmfirmen in den USA rasch in die Abhängigkeit von Banken und Industriekonzernen gerieten.

  • A Woman of Paris (Charles Chaplin, USA 1923)
  • La souriante Madame Beudet (Germaine Dulac, Frankreich 1923)
  • Le brasier ardent (Ivan Mosjoukine, Frankreich 1923)
  • Norrtullsligan (Per Lindberg, Schweden 1923)
  • The Hunchback of Notre Dame (Lon Chaney, USA 1923)

So war – nach der frühen Zeit der Erfinder und Tüftler – nun auch jene der filmschaffenden Neuerer und Experimentierer abgelaufen, in Europa wie in Amerika. Finanzleute kontrollierten die Produktion, drängten auf deren Rationalisierung und Standardisierung, setzten immer stärker auf die Wiederholung von Ideen und Formen, die sich einmal als gewinnbringend erwiesen hatten. Die schädlichen Auswirkungen dieser Entwicklung machten sich zuerst in der US-Filmindustrie bemerkbar: Das Publikum verlor das Interesse an den Filmen; 1926/1927 kam es zur ersten grösseren Absatzkrise.

  • Der letzte Mann (F. W. Murnau, Deutschland 1924)
  • Die seltsamen Abenteuer des Mr. West im Lande der Bolschewiki (Lew Kuleschow, UdSSR 1924)
  • Gösta Berling Saga (Mauritz Stiller, Schweden 1924)
  • Greed (Erich von Stroheim, USA 1924)
  • Orlacs Hände (Robert Wiene, Deutschland 1924)
  • The Gold Rush (Charles Chaplin, USA 1924)
  • The Iron Horse (John Ford, USA 1924)

Eine der möglichen Antworten darauf sollte sich als folgenreich erweisen: Vor allem Warner Bros. (von einem Finanzexperten aus dem Hause Goldman Sachs & Co. beraten) setzte auf eine Allianz mit dem Elektrogiganten Western Electric. Gemeinsam griffen sie die zuvor mehrfach erfolglos ausprobierte Verbindung des «stummen» Films mit Schallplattenton auf und entwickelten sie weiter. Einer dieser Versuche, The Jazz Singer (1927), ein Stummfilm mit Gesangsnummern und einer kürzesten Dialogsequenz, wird von manchen Filmhistorikern verklärend als «erster Tonfilm» bezeichnet. Zur Legendenbildung gehört auch, dass der Erfolg dieses Films (der Eigenwerbung von Warner Bros. folgend) übertrieben dargestellt wurde.

  • Body and Soul (Oscar Micheaux, USA 1925)
  • Die Verrufenen (Gerhard Lamprecht, Deutschland 1925)
  • Master of the House (Carl Theodor Dreyer, Dänemark 1925)
  • Lady Windermere's Fan (Ernst Lubitsch, USA 1925)
  • Panzerkreuzer Potemkin (Sergei Eistenstein, UdSSR 1925)
  • Phantom of the Opera (Gaston Leroux, USA 1925)
  • Streik (Sergei Eistenstein, UdSSR 1925)
  • The Pleasure Garden (Alfred Hitchcock, Grossbritannien, Deutschland, 1925)

Richtig ist aber, dass der Durchbruch der neuen tönenden Technologie nicht mehr aufzuhalten war. In wenigen Jahren vermochte sie in den USA und ab 1930 in Westeuropa den Stummfilm zu verdrängen. Doch in der Sowjetunion, in Japan und in China, Ländern, die mittlerweile zu den wichtigsten Filmproduzenten zählten, wurde noch bis weit in die 1930er Jahre «stumm» gedreht.

  • Der Mantel (Grigori Kozintsev, Leonid Trauberg, UdSSR 1926)
  • Die Abenteuer des Prinzen Ahmed (Lotte Reiniger, D 1926)
  • Die Mutter (Wsewolod Pudowkin, UdSSR 1926)
  • Faust – Eine deutsche Volkssage (F. W. Murnau, D 1926)
  • Fig Leaves (Howard Hawks, USA 1926)
  • Geheimnisse einer Seele (G. W. Pabst, 1926)
  • Kurutta Ippeiji (A Page of Madness) (Teinosuke Kinugasa, Japan 1914)
  • La Bohème (King Vidor, USA 1926)
  • Nana (Jean Renoir, F 1926)
  • The General (Buster Keaton, USA 1926)
  • The Lodger (Alfred Hitchcok, GB 1926)
  • Three Bad Men (John Ford, USA 1926)
  • What Price Glory (Raoul Walsh, USA 1926)
  • You Never Know Women (William A. Wellman, USA 1926)

Vor allem aber waren die 1920er-Jahre eine Blütezeit der stummen Filmkunst. Die Filmschaffenden hatten nicht nur verstanden, dass der «Film Ausdruckskunst sein muss, dem Ballett ähnlich» (Victor Klemperer), sie hatten diese Kunst in verschiedensten Spielarten zu höchster Perfektion entwickelt. Vorwiegend expressionistisch übersteigert und abstrahiert in Deutschland zu Beginn des Jahrzehnts. Zu rasanten Montagen mit teilweise exzentrischen Darstellern in der Sowjetunion, deren Künstler nach neuen Formen für revolutionäre Inhalte suchten. Zu immer perfekterer «Natürlichkeit» in den amerikanischen Studios, die danach trachteten, die gestalterischen Elemente (wie Kamerabewegungen und Schnitt) möglichst unauffällig in den Handlungsablauf zu integrieren.

  • Battle of the Century (Clyde Bruckman, USA 1927)
  • Berlin – Die Sinfonie der Grossstadt (Walter Ruttmann, Deutschland 1927)
  • Chuji Tabi Nikki (Daisuke Ito, Japan 1927)
  • Das Mädchen mit der Hutschachtel (Boris Barnet, UdSSR 1927)
  • Die Bräute des alten Gauners (Svatopluk Innemann, Tschechoslowakei 1927)
  • Don't Tell Everything (Leo McCarey, USA 1927)
  • La Coquille et le Clergyman (Germaine Dulac, F 1927)
  • La glace à trois faces (Jean Epstein, F 1927)
  • Napoléon vu par Abel Gance (Abel Gance, F 1927)
  • Oktober (Sergej M. Eisenstein, UdSSR 1927)
  • Seventh Heaven (Frank Borzage, USA 1927)
  • Sunrise (F. M. Murnau, USA 1927)
  • The Kid Brother (Ted Wilde, Lewis Milestone, USA 1927)
  • Un chapeau de paille d'Italie (René Clair, F/Deutschland 1927)
  • Wings (William A. Wellman, USA 1927)

Von der Vollendung, die der Film auch ohne integrierten Ton erreicht hatte, zeugen bis heute die zahlreichen Umfragen nach den «grössten» Filmen aller Zeiten: Auf diesen Bestenlisten tauchen in schöner Regelmässigkeit Titel aus den 1920er-Jahren auf, die sich nicht nur unter Filmgeschichtsfans grosser Beliebtheit erfreuen.

Martin Girod

  • A Girl in Every Port (Howard Hawks, USA 1928)
  • Jujiro (Teinosuke Kinugasa, Japan 1928)
  • Les deux timides (René Clair, F 1928)
  • Lonesome (Paul Fejos, USA 1928)
  • Maldone (Jean Grémillon, F 1928)
  • Spione (Fritz Lang, Deutschland 1928)
  • The Crowd (King Vidor, USA 1928)
  • The Last Command (Josef von Sternberg, USA 1928)
  • The Mysterious Lady (Fred Niblo, USA 1928)
  • The Wedding March (Erich von Stroheim, USA 1928)
  • Asphalt (Joe May, Deutschland 1929)
  • Blackmail (Alfred Hitchcock, GB 1929)
  • Der lebende Leichnam (Fjodor Ozep, Deutschland 1929)
  • Die Frau, nach der man sich sehnt (Kurt Bernhardt, Deutschland 1929)
  • Gardiens de phare (Jean Grémillon, F 1929)
  • Laila, die Tochter des Nordens (George Schnéevoigt, Norwegen 1929)
  • Mutter Krausens Fahrt ins Glück (Phil Jutzi, Deutschland 1929)
  • Rotaie (Mario Camerini, Italien 1929)
  • The Informer (Arthur Robison, GB 1929)

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