Editorial: Viel und vielerlei

Boyz n the Hood (John Singleton, USA 1991)

Das Filmpodium widmet seine Reihen oft einzelnen Filmschaffenden und versucht, möglichst viel von deren sehenswertem Werk zu zeigen. Das haben wir im überlangen Sommerprogramm bei Billy Wilder getan und das machen wir nun noch einmal, indem wir vom grossen Luis Buñuel nicht nur in diesem Programm, sondern auch im darauf folgenden Filme zeigen – eine Gesamtanzahl, die eine einzelne Programmperiode sprengen würde. Plinius der Jüngere wäre mit uns zufrieden, denn er verlangte ja, man müsse viel lesen, nicht vielerlei, in die Tiefe gehen, nicht in die Breite.

Rundum einverstanden sind wir mit Plinius allerdings nicht, denn bei einer thematischen Reihe wie der diesjährigen Retrospektive von Locarno, «Black Light», die vor Augen führen will, wie das Kino Schwarze dargestellt hat und wie Schwarze Kino machen, geht es nicht um Konzentration, sondern um Bandbreite. Historisch wie geografisch, in Bezug auf Geschlechter Genres und Stile ist eine solche Reihe darauf angelegt, möglichst vielerlei zu zeigen, um zu veranschaulichen, dass Black Cinema nicht ein Ding ist, sondern ungeahnt mannigfaltig. Ein solches Unterfangen erreicht nie Vollständigkeit und wird es nie allen recht machen. Was es aber kann und soll, ist, bestehende Vorstellungen von Black Cinema aufbrechen und unsere Auffassung vom filmgeschichtlichen Kanon erweitern. Es ergeben sich dabei auch spannende Resonanzen zwischen unterschiedlichen Filmen, etwa zwischen Jack Hills Coffy und Tarantinos postmodernem Blaxploitation-Recycling in Jackie Brown sowie zwischen Jean Rouch und Safi Faye, John Singleton und Cauleen Smith usw. Und wie der Dozent Michael Gillespie in Locarno anlässlich von «Black Light» sagte: «Black Cinema is never the answer, it is always the question.» Wir hoffen, dass Sie sich für solch spannende Fragen interessieren.

Vielerlei bietet auch die Ringvorlesung zum 30-jährigen Bestehen des Seminars für Filmwissenschaft an der Universität Zürich: Sechs Dozentinnen und Dozenten referieren anhand ebenso vieler Filme über ebenso viele Themen im Zusammenhang mit dem Gründungsjahr 1989.

Viel und vielerlei hat Peter Hunkeler für unser Kino getan: Als Operateur war er schon vor der Gründung des Filmpodiums im «Studio 4» tätig; als Fachmann für analogen Film war er bei uns massgeblich bei der Bereitstellung von 35- und 16mm-Kopien beteiligt, und nebenher besorgte er auch die grafische Gestaltung von Urkunden usw. Nun geht er in Rente und hinterlässt mehrere Lücken. Wir sind ihm dankbar und werden ihn vermissen.

Corinne Siegrist-Oboussier & Michel Bodmer

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