Editorial: Impflich ausgegangen?


Alain Delon in Plein soleil (René Clément, FR/IT 1960)

Die Wiedereröffnung der Kinos im April hat nicht nur die Branche gefreut; unser Publikum ist ebenfalls mit Begeisterung und unerschütterlicher Treue zurückgekehrt – vielen Dank! Tatsächlich haben die endlich vorhandenen Impfstoffe und deren schnelle Anwendung zu einer Entspannung der Lage geführt, sodass hoffentlich keine weitere Welle der Pandemie zu Shutdowns führt und den sich aufrappelnden Kulturbetrieb wieder abwürgt.

Unser Sommerprogramm haben wir jedenfalls mit viel Optimismus und noch mehr Filmen ausgestattet. Neben über 30 kurzen und langen Werken von Jean-Luc Godard, die wir aus der Corona-Zwangspause gerettet haben, stehen fünf weitere Schwerpunkte an:

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LUMIÈRE EINLADUNG: LACOMBE LUCIEN

Lacombe Lucien (Louis Malle, FRANKREICH/BRD/ITALIEN 1974)

Für Lumière-Mitglieder haben wir im Juni ein schönes Angebot der Sélection-Filmreihe:

Für Lacombe Lucien von Louis Malle offeriert das Filmpodium den Lumière Mitgliedern eine Freikarte an einem der beiden Spieltermine nach Wahl:

Am Mittwoch, 2. Juni um 18.00 Uhr
mit einer Einführung von Martin Walder

Am Donnerstag, 24. Juni um 15.00 Uhr
in der Nachmittagsvorführung

Lacombe Lucien (Louis Malle, Frankreich/BRD/Italien 1974), 139 Min., F/de

13 Jahre bevor er sich im oscarnominierten Au revoir les enfants der Opferseite der Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg widmete, hatte Louis Malle in Lacombe Lucien versucht, die Beweggründe der Mitläufer und Mittäter einfühlbar zu machen. Sein Titelheld – apolitisch, gekränkt und etwas tumb – steht stellvertretend für all jene, die Faschismus erst möglich machen.
Weitere Informationen zum Film finden Sie hier.

 Reservationen unter 044 415 33 66 oder direkter Bezug an der Kinokasse des Filmpodiums mit Verweis auf Ihre Lumière-Mitgliedschaft.

Editorial: Programm-Plandemie

The Man Who Wasn’t There (Joel Coen, Ethan Coen, USA/GB 2001)

Im Dezember 2020 dachten wir noch, dass die zweite Welle der Covid-19- Chose bald verebbe und uns wieder ein regulärer Kinobetrieb erlaubt sei. Dank Virus-Mutanten und Corona-Ignoranten sind die Zahlen dann jedoch wieder hochgeschnellt, und alles hat sich verzögert.

Wie andere, die kulturelle und sonstige Veranstaltungen planen, haben auch wir immer neue Szenarien entworfen, um den ständig wechselnden Zeithorizonten für die Wiedereröffnung gerecht zu werden, die sich diffus abzuzeichnen schienen. Zwei Prinzipien leiteten uns dabei: inhaltlich möglichst wenig von dem Programm der Monate Dezember bis Februar, das bereits rechtlich abgeklärt und bezahlt war, zu opfern und möglichst im Mai/Juni zu einer regulären Programmstruktur zurückzukehren. Der Zeitraum für die «Pufferprogrammierung» bis Mitte Mai schwand aber zusehends, sodass wir gezwungen waren, das Stummfilmfestival auf Anfang 2022 zu verschieben und die verbliebenen Godard-Filme in den Sommer zu verpflanzen. «Editorial: Programm-Plandemie» weiterlesen

Zur Erinnerung an Moufida Tlatli

Uns hat die traurige Nachricht erreicht, dass Moufida Tlatli, deren Film La saison des hommes wir am 5. Arab Film Festival 2020 gezeigt haben, im Alter von 73 Jahren verstorben ist.

Moufida Tlatli als Jurymitglied der 54. Filmfestspiele Cannes ©Frank Micelotta/Getty Images.

Michel Bodmer, stellvertretender Leiter des Filmpodiums, und Frédéric Maire, Direktor der Cinémathèque suisse, haben 2000 in Cannes anlässlich der Premiere von La saison des hommes ein Interview mit ihr geführt, das wir Ihnen gerne auf unserem Blog zur Verfügung stellen. «Zur Erinnerung an Moufida Tlatli» weiterlesen

Das war das 5th Arab Film Festival Zurich

Seit 2012 bietet das Arab Film Festival Zurich alle zwei Jahre die Gelegenheit zu interkulturellen Begegnungen zwischen dem hiesigen Publikum und dem vielfältigen arabischen Filmschaffen sowie seinen Vertreterinnen und Vertretern.

In der 5. Ausgabe 2020 war das nicht anders – nur eben unter strenger Einhaltung der Covid-19-Schutzmassnahmen. 

  • Stadtpräsidentin Corine Mauch an der Eröffnung (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • v.l.n.r.: Khaled Alwazzan, Chargé d'Affaires a.i. der Botschaft von Kuweit in Bern; Corinne Siegrist-Oboussier (Filmpodium); Aida Schläpfer Al Hassani (Präsidentin IAFFZ); Dr. Farhan Alfarhan, Chargé d'Affaires a.i. der Botschaft des Königreichs von Saudi-Arabien in Bern (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl) Khaled ALWAZZAN W A M A, Chargé d'Affaires a.i. der Botschaft von Kuweit in Bern (neben Corinne)
  • Bahij Hojeij (Regisseur Eröffnungsfilm «Good Morning», Libanon, F 2018) und Corinne Siegrist (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Podiumsdiskussion Filmschaffen in Tunesien (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Podiumsdiskussion Filmschaffen in Tunesien. Auf der Leinwand: Fatma Riahi (Regisseurin «A Haunted Past», Tunesien, Katar 2018) (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Podiumsdiskussion Filmschaffen in Marokko. Auf der Leinwand: Fyras Mawazini, Drosos Stiftung; v.l.n.r. Moderation: Beat Stauffer; Nouhad Fathi, marokkanische Kulturjournalistin; Ali Essafi («Before the Dying of the Light aka Our Dark 70s», Marokko 2019); Carole Gürtler, Drosos Stiftung; Urs Gösken (Übersetzung) (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Q&A mit Joud Said («Between Two Brothers», Syrien 2019) (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Q&A mit Ali Essafi («Before the Dying of the Light aka Our Dark 70s», Marokko 2019) (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Jurorin Catherine Silberschmidt (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Preisübergabe durch Christian Frei (Präsident der Schweizer Filmakademie) (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Ahmad Ghossein (Beste Regie «All This Victory») (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Ala Eddine Slim (Bester Film «Tlamess») (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)
  • Die Preisverleihung (© IAFFZ, Eva Linder & Cyrill Krähenbühl)

15 Langfilme der letzten zwei Jahre (sowohl Spiel- als auch Dokumentarfilme), drei Klassiker und 18 Kurzfilme konnten während des Festivals entdeckt werden. Zum ersten Mal wurden die neuen Langfilme im Rahmen eines Wettbewerbs gezeigt. Eine dreiköpfige Jury – zusammengesetzt aus der Kuratorin Rasha Salti, der Filmjournalistin Catherine Silberschmidt und der Filmemacherin Yasmine Chouikh – hat am 29. November die Preisträgerinnen und Preisträger in den Kategorien «Bester Film» und «Beste Regie» mit einer eigens dafür geschaffenen Trophäe gekürt. Die Auszeichnung für den «Besten Film» hat Ala Eddine Slim für Tlamess (Tunesien/Frankreich 2019) erhalten. Ahmad Ghossein erhielt den Preis «Beste Regie» für seinen Film All This Victory (Libanon/Frankreich 2019).

Das Arab Film Festival Zurich ist eine Kooperation zwischen dem Verein International Arab Film Festival Zurich und dem Filmpodium Zürich.

Das erste Jahrhundert des Films: Die 1920er-Jahre

  • Das Cabinet des Dr. Caligari (Robert Wiene, Deutschland 1920)
  • Die Pastorenwitwe (Carl Theodor Dreyer, Schweden 1920)
  • Get Out and Under (Hal Roach, USA 1920)
  • Karin Ingmarsdotter (Victor Sjöström, Schweden 1920)
  • Die Spinnen, 2. Teil: Das Brillantenschiff (Fritz Lang, Deutschland 1920)
  • Within Our Gates (Oscar Micheaux, USA 1920)

Der Erste Weltkrieg hat durch die Kriegshandlungen und die Kriegszerstörungen das filmwirtschaftliche Kräfteverhältnis verändert. Im zuvor führenden Frankreich fehlten Kapital, Filmschaffende und zusehends auch die Infrastruktur, um die Produktion auf dem hohen Niveau zu halten. Deutschland erging es ähnlich, bis 1917 die militärische und politische Führung den Film als wesentliches Mittel zur Meinungsbildung einstufte und die bis dahin eher zersplitterten Strukturen der Filmwirtschaft mit der Gründung der Universum-Film-Aktiengesellschaft (UFA) bündelte. Weil die europäischen Filmproduktionsländer geschwächt aus diesem Krieg hervorgingen und die amerikanischen Filme in der entstandenen Lücke Fuss fassen konnten, entstand die bis heute andauernde marktbeherrschende Position der US-Filmindustrie.

  • Der Fuhrmann des Todes (Victor Sjöström, Schweden 1921)
  • Der Gang in die Nacht (Friedrich Wilhelm Murnau, Deutschland 1921)
  • Der müde Tod (Fritz Lang, Deutschland 1921)
  • Die Bergkatze (Ernst Lubitsch, Deutschland 1921)
  • Fièvre (Louis Delluc, Frankreich 1921)
  • Im Kampf mit dem Berge (Arnold Fanck, D 1921)
  • L'Atlantide (Jacques Feyder, Frankreich 1921)
  • La belle dame sans merci (Germaine Dulac, Frankreich 1921)
  • Manhatta (Charles Sheeler, Paul Strand, USA 1921)
  • Orphans of the Storm (D.W. Griffith, USA 1921)
  • Seven Years Bad Luck (Max Linder, USA/Frankreich 1921)
  • The Kid (Charles Chaplin, USA 1921)
  • The Pet (Winsor McCay, USA 1921)
  • Blätter aus dem Buche Satans (Carl Theodor Dreyer, Schweden 1921)

Zugleich erhöhte sich der Kapitalbedarf mit dem (spätestens Ende der 1910er-Jahre abgeschlossenen) Übergang zum Langspielfilm als dominanter Form des Kinofilms. Um die Risiken der gewachsenen Investitionen in die Produktion abzusichern, setzte sich immer stärker die vertikale Konzentration, die Zusammenführung von Produktion, Verleih und Kinoketten in einer Firma durch. Die Übernahme der zusätzlichen Bereiche erforderte jedoch zusätzliche Kapitalien, so dass die grossen Filmfirmen in den USA rasch in die Abhängigkeit von Banken und Industriekonzernen gerieten.

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Das erste Jahrhundert des Films: Die 1910er-Jahre

Cabiria (Giovanni Pastrone, I 1914)

Mit L’Assassinat du Duc de Guise begann 1908 eine Entwicklung, die für das Kino der 1910er-Jahre prägend werden sollte: Die einstige Jahrmarkt-Attraktion Film erkämpfte sich eine kulturelle Reputation. Die Produktionsgesellschaft mit dem programmatischen Namen «Le Film d’Art» engagierte für diesen Film als Drehbuchautor ein Mitglied der Académie Française, Henri Lavedan, und verpflichtete ein Mitglied der Comédie Française, Charles LeBargy, für die Titelrolle und als Co-Regisseur (mit André Calmettes). Die weiteren Hauptrollen besetzte sie ebenfalls mit Mimen aus dem Hause Molières, sie liess sich historisch exakte Dekors bauen und gab bei einem renommierten Komponisten, Camille Saint-Saëns, eine Originalpartitur zur Begleitung des Films in Auftrag.

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Das erste Jahrhundert des Films: Die 1900er-Jahre

Le voyage dans la lune (Georges Méliès, F 1902)

Man nennt sie gern die «Kinderjahre» der Kinematographie, die anderthalb Jahrzehnte nach der ersten Filmprojektion im März 1895. Damit ist gemeint: Der Film hatte noch viel zu lernen. Und schliesst auch den «Jööö-Effekt» ein, den erste ungelenke Gehversuche auslösen. Es spricht daraus die «Erwachsenen»-Perspektive, die zu wissen glaubt, wo das hinführt.

Auf die frühen Filme bezogen, ist diese Betrachtungsweise so zutreffend wie einseitig. Natürlich haben sich die Filmtechnik und ihr Einsatz zu künstlerischer Gestaltung erst nach und nach entwickelt. Die rückblickende, teleologische Optik bedarf aber der Ergänzung in der Gegenrichtung. Es ist durchaus spannend, gewissermassen ergebnisoffen zuzuschauen, wie sich das «Kind» Film in wenigen Jahren ungeahnte Fähigkeiten zulegte. Und man sollte dabei nicht jene vielversprechenden Anlagen übersehen, die später verkümmerten.

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