Editorial: Filmfeste und Abschiedsfeiern

Am 4. Oktober ist das 16. ZFF zu Ende gegangen. Unter der neuen künstlerischen Leitung von Christian Jungen hatte das europäische, allen voran das französische und Schweizer Filmschaffen einen besonderen Rang, und die zahlreichen daran beteiligten Gäste machten die Corona-bedingte Zurückhaltung der Stars aus Übersee wett. Dank der Breitenwirkung des ZFF haben viele Besucherinnen und Besucher nicht nur den Weg ins Kino wiedergefunden, sondern dabei die Erfahrung machen können, dass das Maskentragen im Saal eine selbstverständliche Geste mitmenschlicher Rücksichtnahme ist, um die kein Aufhebens gemacht werden muss. Für diese Sensibilisierung des Publikums – und die guten Filme! – danken wir dem ZFF herzlich. Unser eigenes Festival, das Arab Film Festival Zurich, das wir zusammen mit dem Verein International Arab Film Festival Zurich organisieren, feiert heuer seine 5. Ausgabe. Das biennale Festival präsentiert vom 19. bis 29. November die Vielfalt des engagierten Filmschaffens aus dem arabischen Kulturraum. Diesmal sind Marokko und Tunesien die Schwerpunktländer, aus denen auch Klassiker gezeigt werden und über deren aktuelles Filmschaffen mit Fachleuten diskutiert wird. Ob die zum Festival eingeladenen Filmschaffenden tatsächlich anreisen dürfen, um ihre Werke persönlich vorzustellen, wird sich erst kurzfristig entscheiden; gegebenenfalls werden wir auf Skype-Gespräche ausweichen. Bitte beachten Sie dazu unsere Website. «Editorial: Filmfeste und Abschiedsfeiern» weiterlesen

Editorial: Back to Filmpodium

Hero (Zhang Yimou, China/Hongkong 2002)

Vielleicht freuen wir uns zu früh, aber wir wollen unsere Freude, solange sie währt, doch mit Ihnen teilen: Das Virus hat sich auch beim Filmpodium in den Eintrittszahlen niedergeschlagen, aber merklich weniger heftig als bei den kommerziellen Kinos. Im Juli und August verzeichneten wir knapp zwei Drittel des durchschnittlichen Publikumsvolumens der letzten Jahre. Das ist ansehnlich und liegt wohl daran, dass wir zum einen nicht von Premieren neuer Filme abhängig sind, die (noch) nicht gezeigt werden können, zum andern ein wirklich treues Stammpublikum haben. Diesem sind wir sehr dankbar – und bitten es gleichzeitig, auch wieder mehr zur Konkurrenz zu gehen, denn die Premierenkinos haben es dieses Jahr noch schwerer als sonst. Streaming ist pandemiehalber für immer mehr Menschen zur Norm in Sachen Filmkonsum geworden, und die Auswertungsfenster fürs Kino verkürzen sich zusehends. Manche Filme starten inzwischen gleichzeitig online und im Kino oder gar zuerst online, sodass die Säle ungewollt immer mehr Platz für Social Distancing aufweisen. Also kommen Sie bitte nicht nur «back to Filmpodium», sondern gehen Sie generell «back to cinema». «Editorial: Back to Filmpodium» weiterlesen

Editorial: Jeder streamt für sich allein

The Natural (Berry Levinson, USA 1984)

Die Corona-Pandemie, die Mitte März auch zur Schliessung des Filmpodiums führte, hat unter anderem einen Wertewandel mit sich gebracht, dessen Nachhaltigkeit noch nicht abzusehen ist. Während das Klima die Verschnaufpause genoss, hat sich vieles nicht eben zum Besseren gewendet: Der ÖV, bisher als ökologisches Massentransportmittel gefeiert, gilt neu als fahrendes Virenreservoir; der verpönte motorisierte Individualverkehr feiert ein Comeback als sozial distanzierter Reigen mobiler Blechdosen. Wiederverwendung ist out; wir schwelgen in Wegwerfware. Trotz Globalisierung wurden Grenzen geschlossen, aber die Digitalisierung triumphierte: Gemeinschaft stiftende Kulturveranstaltungen entfielen, während die Isolation zu Hause den Streaming-Plattformen Rekordumsätze bescherte.

Nun also kehren wir schrittweise zu analogen Erlebnissen zurück, auch gemeinsamen, mit gebührender Vorsicht und gebotenen Schutzmassnahmen. Ob die Kinobranche, die schon vor dem Auftreten von Covid-19 krankte, sich während des Lockdown teilweise auf der Internetkonkurrenz abstützen und vom Staat finanziell beatmet werden musste, in der neuen Normalität wieder auf die Beine kommt, wird sich weisen. Das Filmpodium jedenfalls zeigt nach wie vor ein Programm, das bei Netflix & Co nicht zu finden ist.

Auch in unserem Kino gelten die mittlerweile gewohnten Abstandsregeln und Hygienevorkehrungen, um Sie und unsere Mitarbeitenden zu schützen. Die Sitzplätze sind ab sofort nummeriert. Nur unsere Lounge bleibt vorerst zu, und Verweilen im Foyer und an der Bar ist derzeit nicht angesagt. Trotz dieser Einschränkungen hoffen wir, dass Sie den Weg zurück an die Nüschelerstrasse wagen. Das detaillierte Schutzkonzept finden Sie auf unserer Website.

Als Auftakt im Juni haben wir vier Filme von Kirk Douglas programmiert, die im Frühling ausgefallen sind. Dieses reduzierte Angebot soll Ihnen und uns die Chance geben, sich mit den veränderten Gegebenheiten vertraut zu machen und neue Abläufe zu testen und zu optimieren. Ab Juli dann bieten wir wieder ein Vollprogramm. Krisengerecht haben wir uns für ein eher sommerlich-unbeschwertes Angebot entschieden: Neben französischen «comédies» von Filmemacherinnen gibt es klassisches Star-Kino mit und von Robert Redford. Die Meilensteine von 1940 und 1950 aus der Reihe «Das erste Jahrhundert des Films» sind nicht der Viruspause zum Opfer gefallen; wir zeigen sie jetzt, gefolgt von den besten Filmen von 1960 und 1970. Unser Sommerabo ist ebenfalls wieder da – und Sie hoffentlich auch.

Michel Bodmer

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Editorial: Cinéma du marché

«Es gibt keine Garbo, es gibt keine Dietrich, es gibt nur Louise Brooks!» Also sprach Henri Langlois, Direktor der Pariser Cinémathèque, und lancierte in den 50er-Jahren das Revival dieser fast vergessenen Ikone. Es gibt viele gute Gründe, Brooks eine Reihe zu widmen.

Aber Louise Brooks und gleichzeitig King Vidor? Zweimal Hollywood mit Stummfilmen? Das ist weder komplementär noch publikumsfreundlich!

Nun, auf den ersten Blick ist das tatsächlich so. Und es war ja auch anders geplant: Im April/Mai-Programm sollten ursprünglich der längst vorgesehenen Brooks-Retrospektive Filme aus Albanien gegenübergestellt werden. Da jedoch die Filmarchive viele Unikate und Raritäten aus ihren Beständen nicht mehr oder nur noch selten herausrücken, sind wir beim Kuratieren zunehmend gezwungen, auf die augenblickliche Verfügbarkeit von Material auf dem «Markt» zu reagieren. Es stellte sich heraus, dass die albanischen Filmklassiker aus der Hoxha-Zeit im Februar in Wien und Frankfurt laufen und im März in Zürich gezeigt werden müssen, da diese Kopien nicht beliebig lange im Umlauf sein dürfen. Und dann bot die Berlinale dem Filmpodium an, ihre diesjährige Retrospektive zu King Vidor zu übernehmen, was ebenfalls nur zeitlich befristet möglich war. Das Brooks-Programm zu verschieben, war jedoch keine Option; bei der ZHdK war bereits ein Plakat in Arbeit und dessen Aushang gebucht. So sind wir mitunter durch die Fristen anderer Institutionen fremdbestimmt. «Editorial: Cinéma du marché» weiterlesen

Editorial: Blaues Auge, schwarze Null

Arta Dobroshi in Le silence de Lorna von Jean-Pierre Dardenne und Luc Dardenne

Das Jahr 2019 brachte für die Schweizer Kinos wenn nicht eine Wende, so doch eine erfreuliche und überraschende Verschnaufpause: Nach mehrjähriger Erosion des Publikums stiegen die Eintrittszahlen erstmals wieder etwas an. Die Auguren der Branche machen dafür das gegenüber dem Vorjahr schlechtere Wetter verantwortlich und ein Filmangebot, das neben Mainstream-Hits auch starke und populäre Arthouse-Filme bot, etwa Bong JoonHos Parasite, der über 80000 Eintritte verbuchte.

Das Filmpodium hat seinen Zuschauerdurchschnitt pro Vorstellung ebenfalls leicht steigern können, zumindest hinter dem Komma: Er liegt aktuell bei 34,64 Eintritten pro Vorstellung (2018: 33,79). Zu dieser statistischen schwarzen Null beigetragen haben einige sehr gut beachtete Sonderveranstaltungen, die von externen Partnern angeregt wurden: Die Filme im Rahmen der Ringvorlesung zum 30. Jubiläum des Seminars für Filmwissenschaft brachten scharenweise Studierende ins Filmpodium und auch das kleine Buster-Keaton-Festival des IOIC zwischen den Jahren erfreute sich weit überdurchschnittlicher Beachtung. Immerhin lockte auch das hauseigene Filmbuff-Quiz fast 200 Personen an, und die neue Idee, freie Programmplätze kurzfristig und mit Aktualitätsbezug zu bespielen, geniesst guten Zuspruch. Neben dem Stummfilmfestival wurden die Woche der Nominierten für den Schweizer Filmpreis, die Jahrhundertfilmreihe und die Billy-Wilder-Retrospektive besonders gut besucht. Durchaus mehr Beachtung bzw. Entdeckerfreude verdient hätten allerdings die Zyklen zu Edward G. Robinson, Joe May, Youssef Chahine, Luis Buñuel und Hal Hartley sowie die Raritäten in der Locarno-Retrospektive «Black Light». Wir sind also in Sachen Publikumsstatistik mit einem blauen Auge davongekommen. «Editorial: Blaues Auge, schwarze Null» weiterlesen

Editorial: Eintritt immer freier

Dem Kino mangelt es bekanntlich an Publikumsnachwuchs. Die Digital Natives sind es gewohnt, Filme wo und wann immer sie wollen zu konsumieren, möglichst kostenlos und sei es nur auf dem Handy. Lichtspieltheater, zu denen man sich hinunbequemen muss, um Filme zu fixen, vorgegebenen Zeiten zu konsumieren, sind für sie nur wenig attraktiv – sofern sie solche Institutionen überhaupt noch auf dem Radar haben.

Das Filmpodium tut sich besonders schwer damit, junge Leute anzuziehen: Egal, wie toll unsere Klassiker sind und wie gut die Qualität der Kopie – die Filme im Programm sind oft älter als die Angehörigen der Generation Y und sie werden meist höchstens dreimal gezeigt. Ausserdem ist die Leinwand eher klein, die Sitze laden nicht zum Abhängen oder Knutschen ein, und Popcorn gibt’s auch nicht, nur schwer verdauliche Untertitel.

Immer mal wieder wird überdies bemängelt, der Eintrittspreis sei zu hoch. In den letzten Jahren haben wir deshalb verschiedene Ermässigungsvarianten geschaffen, die unser Kulturangebot für junge Filmfans mit kleinem Budget niederschwelliger machen sollten: das Jahrhundert-Abo, Sonderangebote für Filmstudierende oder das U25-Abo, ein Halbtax-Abo zum halben Preis für Unter-25-Jährige. Keines dieser Angebote fand den erwünschten Zuspruch. Möglicherweise liegt es an der Form der Vergünstigung an sich, dem Abo: Junge Leute wollen sich nicht auf längere Zeit binden. Abo, das klingt nach Verpflichtung und verplanter Freizeit.

Also haben wir uns gesagt: dann halt ohne! Ab sofort können alle Unter-25-Jährigen, egal ob in Ausbildung oder nicht, zum halben Preis ins Filmpodium, ganz ohne Abo oder sonstige Verbindlichkeiten, spontan, einmalig oder auch regelmässig. «Editorial: Eintritt immer freier» weiterlesen

Editorial: Viel und vielerlei

Boyz n the Hood (John Singleton, USA 1991)

Das Filmpodium widmet seine Reihen oft einzelnen Filmschaffenden und versucht, möglichst viel von deren sehenswertem Werk zu zeigen. Das haben wir im überlangen Sommerprogramm bei Billy Wilder getan und das machen wir nun noch einmal, indem wir vom grossen Luis Buñuel nicht nur in diesem Programm, sondern auch im darauf folgenden Filme zeigen – eine Gesamtanzahl, die eine einzelne Programmperiode sprengen würde. Plinius der Jüngere wäre mit uns zufrieden, denn er verlangte ja, man müsse viel lesen, nicht vielerlei, in die Tiefe gehen, nicht in die Breite.

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Editorial: Wilder Sommer

Some Like It Hot (Billy Wilder, USA 1959)

Billy Wilders Karriere begann in Deutschlands Stummfilmära, führte ihn nach der Machtübernahme der Nazis nach Paris und schliesslich nach Hollywood. Er war einer der zahlreichen deutschen und österreichischen Filmschaffenden, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch wieder nach Deutschland zurückkehrten oder zumindest -blickten. Mit 32 Titeln ist die Wilder-Retrospektive, die das Filmpodium diesen Sommer zeigt, umfangreich, aber immer noch nicht ganz adäquat. Dass The Emperor Waltz fehlt, in dem Bing Crosby sich als amerikanischer Grammophon-Vertreter durch die Tiroler Alpen jodelt, ist zu verschmerzen. Es gäbe aber noch viele weitere Frühwerke, bei denen Wilder als Koautor mitgewirkt hat, darunter die pfiffige Kästner-Adaption Emil und die Detektive und die Dreieckskomödie Ein blonder Traum, die wir beide unlängst gezeigt haben, sowie Der Teufelsreporter, den Drehbucherstling des ehemaligen Journalisten Wilder, die muntere Filmoperette Ihre Hoheit befiehlt und das teilweise in der U-Bahn angesiedelte Musical Das Blaue vom Himmel; auf diese kommen wir vielleicht ein andermal zurück.

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Editorial: Beiboot ahoi!

Ein Kino kann man unterschiedlich programmieren. Kommerzielle Premierenkinos sind stark von den Verleihern abhängig, die die Kinostarts immer häufiger weltweit koordinieren, um der Piraterie vorzubeugen und das Medienecho besser zu steuern. Allzu viele Filme werden breit lanciert und verdrängen allzu schnell andere aus den Sälen. «Sleepers», wie man einst jene Filme nannte, die ihr Publikum nur langsam fanden, dann aber endlos im Kino liefen, sind heute undenkbar. Bei solchen Spätzündern kann man nur hoffen, dass sie online Erfolg haben, ehe sie ganz von der Bildfläche verschwinden.

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